Annette von der Bey

vida e morte

Annette von der Bey, La Plata-Delphine, je 80cm x 160cm, Öl auf Leinen Annette von der Bey, Installation Turmbau im Alten Wasserturm Viersen Annette von der Bey, Installation Turmbau im Alten Wasserturm Viersen Annette von der Bey, Installation Turmbau im Alten Wasserturm Viersen Annette von der Bey, Installation Turmbau im Alten Wasserturm Viersen Annette von der Bey, Installation Turmbau im Alten Wasserturm Viersen Annette von der Bey, Großer Tümmler im Alten Wasserturm Viersen, 300cm x 150cm, Öl auf Leinen Annette von der Bey, Großer Tümmler im Alten Wasserturm Viersen, 300cm x 150cm, Öl auf Leinen Annette von der Bey, Großer Tümmler im Alten Wasserturm Viersen, 300cm x 150cm, Öl auf Leinen Annette von der Bey, Großer Tümmler im Alten Wasserturm Viersen, 300cm x 150cm, Öl auf Leinen Annette von der Bey, Großer Tümmler im Alten Wasserturm Viersen, 300cm x 150cm, Öl auf Leinen Annette von der Bey, Großer Tümmler im Alten Wasserturm Viersen, 300cm x 150cm und 150cm x 70cm, Öl auf Leinen

Zwei unterschiedliche Ansätze in der Malerei. Die Türme struktive Exerzitien in Linear- und Farbperspektive. Diese beiden raumillusionierenden Möglichkeiten steigern sich durch geschickte Korrelation, zwingen die Fläche nach Belieben zum sphärischen Ereignis. Die Türme in Tonnenwölbung erinnern an die ältesten Türme, an die wir als Abendländer denken, erinnern, nicht zuletzt durch Breughels gemalte Turmbauten, an Babel, an den Turm, der massiger als jede Leiter, nichtsdestotrotz in den Himmel wachsen sollte. Eine Utopie, bis heute nicht realisiert, längst als unrealisierbar erkannt: Schließlich reicht der moderne Skycraper ja nicht in den Himmel, der heaven heißt.[...]
Wenn ich von Türmen sprach, so bedarf das weiterer Explikation. Die einzelnen Tafeln geringer Größe sind auch noch in ihrer streifig gereihten Addition Details. Sie stehen aber als Detail fürs Ganze, jedes Detail für sich kann pars pro toto, als Repräsentant eines kompletten Turmes aufgefaßt werden. Das ließe sich zweifellos gestaltpsychologisch evident machen. Dieses Teil als Stellvertreter des Ganzen wird aber auch dadurch begreiflich, daß jeder von uns diesen Prototyp vom Turm, aufgrund unserer Sozialisation in seinem jeweiligen imaginären Museum besitzt, worauf die Künstlerin Bezug nimmt. Mag dies eine bewahrende, traditionsbewußte Vorgehensweise sein, so ist doch der damit verbundene konzeptionelle Ansatz ganz modern. Alle Bildelemente sind beliebig kombinierbar, sind permutativ verwertbar.
Natürlich läßt sich auch ein Turm daraus bauen. Die hier im Wasserturm zu sehende Installation mit Bezug auf die räumliche Gegebenheit zeigt dies deutlich. Mit jedem Stockwerk, das wir höher steigen, wächst, analog dazu, ein artifizieller Turm, mit allen denkbaren Verwirrungen. Der Hohlspiegel Treppenhaus wird als Nische begriffen, aber auch als Krümmung, die Gegenwehr herausfordert. Konkave Illusionen wechseln mit konvexen; die reale Architektur stützend, oder aber optisch fragilisierend.
Diese Malerei erinnert nicht nur an Türme als Architektur, die über Jahrhunderte die Vorgabe war, auf die sich Malerei und Architektur zu beziehen hatten. Das war so, bevor das emanzipierte Bild zum beziehungslosen architekturunabhängigen Nomaden wurde. Warum soll man erste Assoziationen unterdrücken? Sie waren ja eh da, da, vor jedem Ansatz rationalen Denkens, rationaler Analyse.
Annette von der Bey, Weißwal 1:1, Rundgang Kunstakademie Düsseldorf 1991 In ihrer Position, links und rechts von der Tür plaziert, quasi den Genius Loci des Ateliers schützend wurde ich durch die Delphine vor der Klasse Schwegler an die 5-beinigen Fabeltiere aus Persepolis erinnert, teils Vogel, teils Stier. Ich wurde aber auch erinnert an Vasenmalereien der kretisch-mykenischen Kultur, insbesondere an schwarzfigurige griechische Vasen, auf diesen einen Fries bildend auf Außenwand, so wie in dieser Ausstellung auf der Innenwand des Kessels.
Ich wurde erinnert an die reichen Sagas: der Delphin dem Menschen hilfreich. Annette von der Bey malt ihn menschenähnlich als Aufgerichteten, eingefroren in einer Haltung, wie sie sich im Sprung nur im Bruchteil der Sekunde zeigt. Monumental, großzügig geformt, scharf konturiert, fast florentinisch.
Nicht nur die gemalten Türme nehmen Bezug auf die Galerie im Turm, sondern auch die Delphinbilder. Zum einen inhaltlich, wie bereits mit Verweis auf den Bilderreigen im Innern des Kessels angedeutet, dieser inhaltliche Aspekt ist auch hier in dieser Rotunde augenfällig.
Der tektonische Aspekt kommt hinzu. Ein sehr wesentlicher Aspekt. Die Wandproportionen, die durch Wandflächen und Sprossenfenster gegeben sind, werden aufgegriffen und zwar so, daß die Wandflächen wie in klassischer Architektur durch einen flachen, vorgelegten Pilaster feinere Gliederung und Tiefe erhalten. Die Bilder als formale applizierte Elemente setzen sich ab, strukturieren die Haut des Raumes und sind dabei so integriert, daß man den Gedanken an Exponate in einer Ausstellung fast verliert. Für diese selbstverständliche Präsenz ist zweifellos der farbeige Grund der Malereien mitverantwortlich in seiner Korrespondenz zur Farbigkeit des Feldbrandsteins.
Resümierend darf ich sagen: eine Ausstellung konzeptueller Art mit Bezug zum Ausstellungslokal, so, daß sich auch der Term der Installation einbringen läßt. Eine Ausstellung ganzheiltlicher Art bei voller Wahrung der Autonomie des einzelnen Bildes. Eine Ausstellung bestimmbarer Semantik trotz hoher Abstraktion der konzeptuellen Anlage. Eine Ausstellung tief in der Tradition europäischer Kunst stehend, dennoch von zeitgenössischer Originalität.

Eröffnungsrede (gekürzt) zur Ausstellung „vida e morte“ von Prof. Dr. Hans Brög